Unvorstellbar: GTA ohne Radiosender, Final Fantasy ohne orchestrale Begleitung. Nahezu jedes Videospiel hat einen mal mehr, mal weniger denkwürdigen Soundtrack. Schon in den 1980er und 1990ern reizten die Komponisten die Soundchips der frühen Heimcomputer und ersten Spielkonsolen aus, um die bestmöglichen Melodien und Sounds hervorzubringen. Musik ist kein schlichtes Beiwerk, sondern essenziell für die meisten Videospiele.
Was zeichnet einen guten Soundtrack aus?
Videospiel-Komponisten reihen nicht sinnentleert irgendwelche Noten aneinander und basteln so den Soundtrack. Stattdessen kommen verschiedene Techniken aus dem Filmbereich zum Einsatz. Obendrein müssen sich die Musiker auch eigene Gedanken machen. Denn: Videospiele unterscheiden sich – etwa bei der Länge – drastisch von Filmen.
Mood- und Leitmotiv-Techniken
Bei der Mood-Technik versucht die Musik, das Setting und die Atmosphäre einzufangen. Statt auf Spielereingaben direkt zu reagieren, untermalt sie grob, was sich auf dem Bildschirm abspielt. Die nebelverhangene Stadt im ersten Silent Hill klingt deshalb deutlich anders als ein Level bei Super Mario Kart. Dies gilt sinngemäß auch für Online Casinos. Diese befördern mit ihren Sounds das Hochgefühl der Spieler, wenn sie spielen. Schließlich reicht ein Bonus nicht aus, um die Kunden zu binden, das Spielerlebnis muss aufregend sein.
Wird ein musikalisches Leitmotiv verwendet, steht der Wiedererkennungswert im Fokus. In der Regel bezieht sich das Leitmotiv auf bestimmte Figuren. Wann immer diese Figur einen Auftritt feiert, ertönt das Theme. Beim interaktiven Adventure Fahrenheit spiegelt das Main Theme die psychische Verfassung des Protagonisten wider – und lässt den Spieler so mit der Hauptfigur fühlen.
Underscoring
Beim Underscoring unterstreicht die Musik eins zu eins die Action auf dem Bildschirm. Vor allem bei Disney-Filmen findet das Underscoring Anwendung. Allerdings stehen Komponisten vor einem Problem: Bei Filmen steht fest, wann die Schauspieler wie handeln – Videospiele sind hingegen ein interaktives Medium. Je nachdem, wie schnell oder langsam sich der Spieler durch ein Level bewegt, würde das Underscoring mal gut passen, mal danebengreifen.
Allerdings gibt es einen Ausweg, der häufig genutzt wird: Skriptsequenzen. Bestimmte Sequenzen in Videospielen folgen einem Skript, von dem der Spieler nicht oder bloß geringfügig abweichen kann. Dies ist zum Beispiel bei der Flucht aus einem einstürzenden Gebäude der Fall. Wie bei Filmen ist der Komponist nun in der Lage, die Musik zeitlich perfekt abzustimmen.
Ein hohes Maß an Dynamik
Videospiele stellen Musiker vor eine weitere Herausforderung: Sie sind lang. Während Filme nach 90 oder 120 Minuten auserzählt sind, haben moderne Videospiele bisweilen eine Spielzeit von über 100 Stunden. Musikalisch muss nun der Sprung geschafft werden, dass der Soundtrack weder zu aufdringlich noch zu eintönig gestaltet ist. Selbst nach mehreren Stunden Hörzeit muss die Musik noch unterhalten.
Der wichtigste Faktor ist hierbei die Variabilität. Damit ist in erster Linie nicht gemeint, dass der Soundtrack abwechslungsreich sein muss. Sondern dass er so klingt, das bereits Gehörte also neu interpretiert und wiedergibt. Immer beliebter wird der Einsatz adaptiver Musik, die in der Lage ist, auf Handlungen des Spielers zu reagieren.
Gern greift man auch zum Branching. Hierbei besteht das Musikstück aus mehreren Schichten, die je nach Spielsituation ineinandergreifen. Erkundet der Spieler beispielsweise ein Gebiet, könnte der Soundtrack zunächst friedlicher und zurückhaltend anmuten. Würde die Szene bedrohlicher – weil sich dem Spieler etwa Feinde nähern –, würde sich dies musikalisch bemerkbar machen. Käme es zum Kampf, könnte sich die Musik ein weiteres Mal ändern.
Eng verwandt: Videospielmusik und Filmmusik
Die Wissenschaft der Ludomusicology beschäftigt sich explizit mit der Forschung um Soundtracks in Videospielen. Tatsächlich bedient sich Musik in Videospielen sehr ähnlicher Techniken, wie sie in Filmen Verwendung finden. Dies ist wenig überraschend. Beide Medien verknüpfen Bild und Ton miteinander.
Was Filme und Videospiele unterscheidet, ist vor allem der Grad der Interaktivität. Das macht es schwierig, Videospielmusik genauso zu komponieren wie Filmmusik. Allerdings gibt es etliche Komponisten, die sowohl an Videospielen als auch an Filmen mitgewirkt haben, ihre Erfahrung also auf ein neues Medium übertragen konnten.
Soundtracks im Wandel: Orchester statt Monophonie
In den 1980er und 1990er Jahren waren Videospiele musikalisch stark eingeschränkt. Frühe Soundchips waren lediglich imstande, simple Soundtracks abzubilden. Das heißt mitnichten, dass Soundtracks aus dieser Zeit weniger erinnerungswürdig waren. Das 1985 erschienene Super Mario Bros. hatte zum Beispiel eine Titel-Melodie, das sich bei den Spielern auf ewig eingebrannt hat.
Heutzutage werden Soundtracks immer häufiger von Orchestern eingespielt. Den Special Editions mancher Videospiele liegt der OST manchmal als Disc bei, oder das Hörerlebnis steht separat als Download zur Verfügung.
Final Fantasy
Final Fantasy ist eine langjährige RPG-Reihe, die seit dem ersten Teil im Jahre 1987 musikalisch immer wieder neue Highlights setzt. Das Rollenspiel-Epos hat mehrere denkwürdige Musikstücke hervorgebracht. Selbst Jahrzehnte später erinnern sich Fans noch an die Szenen zurück, vergessen geglaubte Gefühle treten wieder hervor. Die Soundtracks sind wiederholt als eigenständige Alben veröffentlicht worden. Regelmäßig hält man vor allem in Japan Final-Fantasy-Konzerte ab. 2003 trat man sogar bei der Games Convention in Leipzig auf.
Dragon Quest
Noch ein Jahr vor dem ersten Final Fantasy begab sich die Dragon-Quest-Reihe auf ihre Odyssee. In Japan sind die Soundtracks der Dragon Quest Spiele als Alben erhältlich. Hierzulande begnügen sich die Spieler mit der Ingame-Musik. Kurios: Dragon Quest XI – der jüngste Serienableger – wurde zweimal für die PS4 veröffentlicht. Beim ersten Release verzichtete man auf den Einbau des orchestralen Soundtracks. Stattdessen verwendete man MIDI-Dateien, was den Unmut der Fans auf sich zog. Nachdem für die Nintendo Switch ein Release mit orchestrierter Musik erfolgt war, zog man schließlich auf der PS4 nach.
Ni no Kuni
Nicht nur optisch erinnern die Ni no Kuni Spiele stark an Studio-Ghibli-Produktionen. Auch Joe Hisaishi, der an Studio Ghibli Filmen wie Chihiros Reise ins Zauberland musikalisch mitgewirkt hat, war an Ni no Kuni beteiligt. Der Soundtrack des ersten Ni no Kunis gilt als eine seiner besten Arbeiten und zeigt, dass sich Filmschaffende gelegentlich auch ins Reich der Videospiele verirren.
Beispiele für herausragende Soundtracks
In den letzten Jahren sind zahlreiche bemerkenswerte Soundtracks entstanden. Nachstehend folgen drei Beispiele aus drei völlig unterschiedlichen Zeitperioden. Interessanterweise ist ein Soundtrack – oder was musikalisch mit einem Videospiel verbunden wird – nicht immer selbst komponiert. Grand Theft Auto und die FIFA-Reihe verwenden real existierende Songs und verpflanzen sie als „Soundtrack“ in ihren Spielen.
Monkey Island
Die Titelmusik des Adventure-Klassikers Monkey Islands hat sich bei Fans der Reihe bis heute ins Gedächtnis eingebrannt. Der Soundtrack von Michael Land fängt das Piraten-Lebensgefühl und die Komik der Adventures gekonnt ein und war essenziell für den Erfolg der Reihe. Selbst die Special Editions der ersten beiden Teile – 2009 und 2010 erschienen – werten den Soundtrack lediglich auf, statt komplett neue Musik zu verwenden.
Fahrenheit
Fahrenheit ist sicher nicht das allerbeste Spiel aus dem Hause Quantic Dream. Vor allem im letzten Spielabschnitt verliert die Geschichte ihre Bodenhaftung und wird recht abstrus. Unvergessen ist dagegen der Soundtrack. Gerade das Main Theme fängt die beschwerliche Stimmung und den psychischen Zerfall der Hauptfigur Lucas Kane unheimlich eindrucksvoll ein.
GTA
Die Grand Theft Auto Spiele haben streng genommen keinen Soundtrack. Allerdings spielt Musik eine tragende Rolle. Bei GTA bewegt man sich nicht selten mit einem fahrenden Untersatz fort. Im Auto lassen sich verschiedene Radiosender einstellen. Bestes Beispiel ist das Radio in GTA: Vice City. Das Setting versetzt den Spieler ins Miami der 1980er Jahre. Entsprechend bekommt man im Radio Künstler wie Michael Jackson, Bryan Adams und sogar Nena zu hören.
Videospiel-Soundtracks werden immer besser
Monotone Monophonie war gestern. Heute ist Videospielmusik ein begleitendes Element, das wie im Film Stimmungen abbildet und Gefühle weckt. Die Komponisten haben viele Lehren aus dem Filmbereich übernommen. In Zukunft ist damit zu rechnen, dass sich Videospiel-Soundtracks stärker vom Film abgrenzen werden. Die Wissenschaft – die Ludomusicology – ist jung. Videospielmusik könnte zum Beispiel noch adaptiver werden, also stärker auf die Eingaben von Spielern reagieren.