Frankfurt am Main (ots) –
Die Gesellschaft für deutsche Sprache kürte Ende 2023 ‚Krisenmodus‘ zum „Wort des Jahres“. Dies ist nachvollziehbar, denn auch das Jahr 2023 war von sogenannten ‚Permakrisen‘ gekennzeichnet: Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, die Ausläufer der Corona-Pandemie, die Auswirkungen des Klimawandels, die gesamtwirtschaftliche Situation und die damit einhergehenden politischen Herausforderungen. Insofern verwundert es nicht, dass sich das mediale Interesse insbesondere im klassisch linearen TV erneut auf Informationsinhalte konzentrierte. Neben dem Interesse an Nachrichten, Magazinen und Dokumentationen bediente das Fernsehen im Jahr 2023 auch den Wunsch nach Ablenkung durch starke Unterhaltungsshows und fiktionale Formate.
„Damit verstetigt sich der Trend der Vorjahre: Das lineare Fernsehen hat bei tagesaktuellen Informationen und Formaten mit ausgeprägtem Live-Charakter nach wie vor eine starke Position, auch wenn im Jahr 2023 keine Sport-Großevents mit erfolgreicher deutscher Beteiligung stattfanden und sich dies, neben allen anderen Effekten, auch in den Daten widerspiegelt,“ so Kerstin Niederauer-Kopf, CEO der AGF Videoforschung.
Im Jahr 2023 haben täglich 61,5 Prozent der Zuschauenden ab 3 Jahre, bzw. 47,087 Mio., für unterschiedlichste Inhalte der Programmanbieter eingeschaltet, das sind im Vergleich zum Vorjahr 2,6 Prozentpunkte weniger. Die tägliche TV-Nutzung lag 2023 bei den Personen ab 3 Jahren bei 182 Minuten (2022: 195 Min.), bei den 14- bis 49-Jährigen bei 87 Minuten (2022: 101 Min.) und damit jeweils niedriger als im Vorjahr.
„Angesichts des medialen Überangebots sind dies immer noch beachtliche Nutzungsanteile. Der Mensch hat letztlich kein unendliches Medienzeitbudget und dieses verteilt sich aufgrund der immer stärker fortschreitenden intra- und intermedialen Fragmentierung mittlerweile auf mehrere Mediengattungen und auch Angebotsformen,“ erläutert Niederauer-Kopf.
So bewegt sich der Nutzungsanteil von Informationsangeboten wie Nachrichten, Magazinen, Reportagen und Dokumentationen sowie Talks im Jahr 2023 mit 34 Prozent leicht unter dem Vorjahresniveau (2022: 36%), da die Genres Nachrichten und Reportagen jeweils einen Prozentpunkt verlieren. Demgegenüber steigen die relativen Nutzungsanteile für Unterhaltungssendungen und fiktionale Formate um circa 2 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr auf insgesamt rund 60 Prozent. Sportübertragungen und -sendungen bleiben mit etwa 6 Prozent auf gleichbleibendem Niveau.
„Die leichten Verschiebungen im Programminteresse scheinen darauf hinzudeuten, dass die Zuschauenden zwar immer noch ein großes Interesse an gut recherchierten und starken Informationsformaten haben, aber in einer Zeit permanenter Krisen und Konflikte auch Ablenkung vom Alltag suchen,“ so die Vorsitzende der Geschäftsführung.
Die erfolgreichsten TV-Formate 2023
Der Blick auf die erfolgreichsten TV-Formate des Jahres 2023 zeichnet ein weitgehend stabiles Bild: Das Jahr 2023 war kein ‚klassisches Sportjahr‘, Sport-Großevents und damit Zuschauermagnete wie die Olympischen Spiele, oder auch die FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft der Männer fanden in den saisonal bedingt ohnehin schwächeren Sommermonaten nicht statt. Als erfolgreichstes TV-Format setzt sich der „Tatort: MagicMom“ im Ersten mit durchschnittlich 13,928 Mio. Zuschauern ab 3 Jahren an die Spitze, was einem Marktanteil von 40,5 Prozent entspricht. Die Abschiedsvorstellung von Thomas Gottschalk bei „Wetten, dass..?“ bescherte dem ZDF im Gesamtpublikum eine beachtliche durchschnittliche Sehbeteiligung von 12,892 Mio. Personen (45,8% MA) und damit Rang 2. Mit einer Sehbeteiligung von 11,613 Mio. (37,7% MA) platziert sich der Münster-Tatort „Der Mann, der in den Dschungel fiel“ auf Rang 3. Nachfolgend finden sich unter den TOP 5 wie erwartet Fußballspiele – seit einigen Jahren auch die Spiele der Frauen-Nationalmannschaft, deren frühzeitiges WM-Aus sehr wahrscheinlich dafür sorgte, dass die nachfolgenden Spielbegegnungen ohne deutsche Beteiligung an Attraktivität verloren. Das zweite Gruppenspiel der Frauen-Nationalmannschaft gegen Kolumbien sahen sich 10,374 Mio. Personen an, dies entspricht einem Marktanteil von 61,3 Prozent. Nur knapp dahinter folgt das Länderspiel Deutschland – Frankreich der Herren mit einer durchschnittlichen Sehbeteiligung von 10,369 Mio. Zuschauenden und einem Marktanteil von 42,2 Prozent.
Bei den Personen zwischen 14 und 49 Jahren liegt Thomas Gottschalks letzte „Wetten, dass..?“-Sendung sogar auf Platz 1 mit einer durchschnittlichen Sehbeteiligung von 3,665 Mio. und einem Marktanteil von 54,8 Prozent – dem höchsten seit 2013. Der „Eurovision Song Contest“ landete auf dem zweiten Platz und erzielte mit 3,282 Mio. Zuschauern und einem Marktanteil von 52,9 Prozent ebenfalls den höchsten Wert seit 2013. Der Wettbewerb, der gemäß den ESC-Regeln in der ukrainischen Heimat der Siegerband Kalush Orchestra stattgefunden hätte, wurde aufgrund des Kriegs nach Liverpool verlegt. Auf dem dritten Platz findet sich der „Tatort: MagicMom“ mit einer Sehbeteiligung von 3,066 Mio., was einem Marktanteil von 33,9 Prozent entspricht. Auf Platz 4 liegt auch in der jüngeren Zielgruppe das Länderspiel Deutschland – Frankreich mit 3,013 Mio. Zuschauenden und einem Marktanteil von 49,5 Prozent, auf Platz 5 folgen die deutschen Fußball-Frauen mit dem Spiel gegen Kolumbien: Die Sehbeteiligung lag hier bei 2,334 Mio., der Marktanteil bei 57,8 Prozent.
Streaming-Nutzung weiter steigend
Dass sich die mediale Nutzungsgewohnheiten verändern, belegen auch die Daten für die unter AGF-Messung befindlichen Streamingangebote: Im vergangenen Jahr hatten insgesamt 64,227 Mio. Personen mindestens einmal Kontakt mit einem Streamingangebot der Publisher, das entspricht 81,4 Prozent der Bevölkerung. Auch die durchschnittliche Sehdauer steigerte sich um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr und liegt 2023 bei durchschnittlich 5 Minuten pro Tag (2022: 4 Min.), sowohl bei den Zuschauenden ab 3 Jahren als auch bei den 14- bis 49-Jährigen.
Der Ausweis und die Integration von weiteren Streamingangeboten und Plattformen wie DAZN, die seit Dezember 2023 unter AGF-Messung stehen, wird sich perspektivisch auch in insgesamt steigenden Streamingnutzungszahlen niederschlagen. Kerstin Niederauer-Kopf erklärt, warum: „Bereits jetzt sehen wir, dass – aufgrund der digitalen Herkunft der Plattform – beispielsweise die Bundesligaübertragungen von DAZN im Video-Streaming deutlich mehr Menschen als über den klassisch linearen Ausspielweg erreichen und damit den Streaminganteil im AGF-System erhöhen.“
Derart veränderte Nutzungsgewohnheiten und neue Angebotsformen machten notwendig, am 1. Januar 2024 flächendeckend auf den bereits bestehenden Markstandard Bewegtbild umzustellen. Dies betrifft auch die klassischen TV-Analysen. Mit dieser Umstellung werden die endgültigen TV-Daten zuzüglich des inhaltsgleichen 24/7-Livestreams 8 Tage nach der linearen Ausstrahlung gesamthaft ausgewiesen. Ein Vergleich der Auswertung von Formaten in beiden Standards zeigt eine Tendenz:
„Bei sportlichen Großereignissen oder Shows fiebert man gerne live mit, nicht zuletzt, um auf dem aktuellen Stand zu sein. Neue Distributionswege und Kanäle machen es nahezu jederzeit möglich, den Content ‚live‘ über ein mobiles Endgerät mitzuerleben. Auch wenn der Big Screen nach wie vor der relevanteste Bildschirm ist, so zeigt die zusätzliche Nutzung durch den 24/7-Livestream gerade bei Sportevents, dass diese Nutzungsform durch den Aktualitätsbezug an Relevanz gewinnt – daher umso wichtiger, dass die AGF dies in den Standards berücksichtigt,“ erläutert Niederauer-Kopf.
So konnte beispielsweise die Live-Übertragung der Spielbegegnung Deutschland – Kolumbien bei der Fußball-WM der Frauen am 30.07.2023 insgesamt eine durchschnittliche Sehbeteiligung von 10,549 Mio. beim Gesamtpublikum erreichen. Davon entfallen 10,374 Mio. auf die klassisch lineare TV-Nutzung und 0,174 Mio. auf die Nutzung des inhaltsgleichen 24/7-Livestreams, der über die Mediatheken der ARD bereitgestellt wird.
„Bei fiktionalen Formaten – insbesondere Long-Form – ist die zeitsouveräne Nutzung ein wichtiges Key Asset, das sich auch in der steigenden VoD-Nutzung widerspiegelt,“ so Kerstin Niederauer-Kopf.
Neue Ära in Großbritannien: King Charles‘ Krönung
Am 6. Mai 2023 wurde Charles, ältester Sohn der 2022 verstorbenen Queen Elizabeth II und Thronfolger, als 40. Monarch in der Londoner Westminster Abbey gekrönt. Nachdem im vergangenen Jahr der Tod der Queen eine große Welle an Emotionen ausgelöst hatte und mehr als 50 Millionen Personen sowohl im linearen TV, im Livestream als auch ‚on demand‘ medial Anteil genommen hatten, trat Charles im Mai 2023 eine würdige Nachfolge an: Die am Krönungstag ausgestrahlten Live-Übertragungen und zusätzlichen Sendungen erreichten 30,930 Mio. Zuschauende über alle unter Messung stehenden Kanäle mindestens einmal.
60 Jahre „Dinner for One“: Britischer Sketch wird deutsche Silvestertradition
Im Jahr 1963 wurde „Dinner for One“ zum ersten Mal im deutschen Fernsehen gezeigt, nachdem Moderator Peter Frankenfeld den Comedian Freddie Frinton in einem Varieté im englischen Blackpool entdeckt hatte. Obwohl Frinton den Sketch seit den 1940-er Jahren in diversen Städten in Großbritannien aufgeführt hatte, ist er in seiner Heimat praktisch unbekannt. Im britischen Fernsehen wurde er erstmals 2018 bei Sky Arts gezeigt. Seit 1972 wird „Dinner for One“ nur noch Silvester auf den Sendern der ARD ausgestrahlt und gehört seitdem für viele zum letzten Abend des Jahres wie Feuerwerk und Bleigießen. Im Jubiläumsjahr 2023 haben am Silvesterabend 14,213 Mio. Personen mindestens einmal für eine Minute in eine Ausstrahlung von „Dinner for One“ geschaltet. Laut FOCUS-Recherche beruht der Sketch auf der wahren Geschichte der Herzoginnenwitwe Sophie Karoline Amalie von Sachsen-Gotha-Altenburg, die laut Aussage ihres Cousins Dinnerpartys mit ihren verstorbenen Freunden feierte. Sketchautor Laurie Wylie entdeckte Aufzeichnungen über die Anekdote und schrieb daraufhin „Dinner for One“.
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